Veröffentlichungen
Studie: Akzeptanz von Windkraftanlagen hängt nicht von Abständen ab
Für ihre neue Studie "Mehr Abstand, mehr Akzeptanz?" haben die Umweltpsychologen Prof. Dr. Gundula Hübner und Dr. Johannes Pohl von der Universität Halle-Wittenberg untersucht, ob der Abstand zu einem Windpark auf dessen Akzeptanz wirkt. Datenbasis waren mehrere Studien mit insgesamt 1300 Anwohnern von 20 Windparks in Flachland-, Hügel- und Gebirgslandschaften in Deutschland und in der Schweiz. Anlass für die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Studie war die neue Möglichkeit für die Länder, die bauplanungsrechtliche Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich einzuschränken (§ 249 Abs. 3 BauGB) und die bayerische Umsetzung durch die sog. "10H-Regelung" der Bayerischen Bauordnung, wonach Windkraftanlagen im Außenbereich das Zehnfache ihrer Höhe als Mindestabstand zu Wohnbebauung einhalten müssen (Art. 82 BayBO).
Wesentliche Ergebnisse der Studie
- Kein Zusammenhang zwischen Abstand und Akzeptanz
Akzeptanzfaktoren bei Windkraftanlagen sind nach der Studie:
- die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes - der Top-Belastungsfaktor! -,
- Geräusche,
- Planungs- und Bauphase und
- Kennzeichnung.
Kein Zusammenhang bestand dagegen zwischen Abstand und Akzeptanz. Weder war die Akzeptanz unterhalb eines bestimmten Abstandes automatisch geringer, noch war sie oberhalb eines bestimmten Abstandes automatisch größer. Auch ein Zusammenhang zwischen Abstand und durchschnittlich gefühlter Belästigung durch die Anlage war nicht nachweisbar.
- Objektive und subjektive Belastungsfaktoren reagieren auf unterschiedliche Akzeptanzmaßnahmen
6 bis 18 % der Anwohner waren objektiv messbar stark belastet und berichteten entsprechende Symptome. Um hier die Akzeptanz zu steigern, seien technische und rechtliche Maßnahmen (so geschehen z. B. durch die Schattenwurf-Richtlinie) erforderlich.
82 - 94 % der Anwohner waren jedoch nicht durch solche messbaren Einflüsse beeinträchtigt. Sie empfanden allenfalls geringe Beeinträchtigungen. Bei dieser Gruppe entschieden vor allem die "erlebte" (= subjektiv empfundene) Beeinträchtigung und finanzielle Anreize über das Maß der Akzeptanz. Positiv wirkten:
- eine als positiv erlebte Beteiligung am Planungsprozess (vs. vollendete Tatsachen durch den Windparkprojektierer)
- eine mögliche finanzielle Beteiligung für alle Bürgerinnen und Bürger (vs. Gewinn nur für diejenigen - meist Landwirte -, die die Grundstücke zur Verfügung stellen)
- eine unabhängig von dem Projekt vorhandene positive Einstellung zur Windkraft allgemein (vs. These des NIMBY - Not in My Backyard, zu deutsch: St. Floriansprinzip).
Konsequenz für das Strategische Umfeldmanagement:
Akzeptanzmaßnahmen zielgenau gestalten
Diese Ergebnisse der Studie geben auch für das Strategische Umfeldmanagement von Vorhaben nützliche Hinweise. Die Unterscheidung zwischen messbarer und die erlebter Belastung hilft,
- Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz zielgenauer zu gestalten
- ungeeignete Akzeptanzmaßnahmen zu vermeiden.
Das bedeutet konkret:
Bei messbarer Beeinträchtigung: messbare Ent-Lastung oder messbare Kompensation anstreben
Bei den messbar durch das Vorhaben Beeinträchtigten steigt nach der Studie die Akzeptanz vor allem, wenn die Belastung entweder messbar erheblich abgesenkt oder wenn eine ebenso messbare individuelle Kompensation realer oder finanzieller Art angeboten wird.
Fehlt bei messbarer Belastung diese messbare Ent-lastung oder eine messbare Kompensation, wird vermutlich auch die intensivste Verfahrensbeteiligung nicht zur Akzeptanz führen. Im Gegenteil: Wenn es ganz schlecht läuft, kann gerade die Kombination von fehlender realer Entlastung und intensiver Beteiligung den Widerstand noch verstärken. Ergebnis kann dann sogar zusätzliche Negativ-PR durch die Betroffenen sein: "Unverschämt, da sollen wir mit irgendwelchen Workshops abgespeist werden!"
Bei "erlebter Belastung": auf Einstellungen und Erwartungen eingehen
Bei "erlebter Belastung" kommt es nicht zu messbarer Beeinträchtigung, sondern das Vorhaben widerspricht vor allem impliziten Einstellungen und Erwartungen. Weil das Problem hier nicht in erster Linie eine reale Belastung ist, wäre hier eine reale (zusätzliche) Ent-Lastung oder eine reale (scheinbare) Kompensation kaum geeignet, die Akzeptanz zu erhöhen. Bei erlebter Belastung sind vor allem Akzeptanzmaßnahmen erfolgversprechend, die die Einstellung zu dem Vorhaben positiv beeinflussen können:
- Das ist vor allem: eine Beteiligung mit Gestaltungsspielräumen. Selbst kleine Spielräume enthalten die wichtige symbolische Botschaft: "Sie können mitgestalten!" Wenn aber keine Spielräume bestehen, sollte man das rechtzeitig und offen sagen - sonst steht die eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.
- Positiv auf die Einstellung zu dem Vorhaben können auch zusätzliche Anreize wirken:
- eine finanzielle Beteiligung an dem Vorhaben
- zusätzliche Vorteile aus dem Vorhaben für die Allgemeinheit.
Damit sind Vorteile gemeint, die nicht nur für die Gruppe derjenigen attraktiv sind, die dem Vorhaben entweder skeptisch gegenüberstehen oder für die Gruppe derjenigen, die an dem Vorhaben finanziell beteiligt sind.
Das sind Vorteile, die auch an andere Bedürfnisse der durch das Vorhaben betroffenen Gemeinschaft anknüpfen. Bei Windparks erhöhen zum Beispiel "Bürgerstiftungen", die mit Stromerlösen von Windparks aufgebaut werden und kommunale Gemeinwohlvorhaben fördern, die Akzeptanz. Dies auch deshalb, weil damit die Gemeinschaft profitiert und nicht nur diejenigen, die Anteile am Windpark erwerben können.
Strategische Umfeldmanager für örtliche Vorhaben könnten sich also etwa fragen: Lässt sich das Vorhaben mit bestehenden Bedürfnissen der Gemeinschaft für Familien, Schulkindern, Senioren verknüpfen? Wer könnte konkreter Kooperationspartner für solche Verknüpfungen sein? Wenn als Kooperationspartner dann noch eine Person gefunden werden kann, die hohe Akzeptanz quer durch Reihen genießt, umso besser!
"Erlebte Belastung" - auch ein Hinweis auf Nachsteuerungsbedarf bei der Öffentlichkeitsarbeit
Weil "erlebte Belastung" häufig nicht nur unausgesprochene, sondern zugleich auch vorhabenunabhängige allgemeine Einstellungen und Erwartungen zu einem Grundanliegen des Vorhabens zutage (z.B. zu Energiewende, Naturschutz, Tierhaltung, Straßenbau etc.). Deshalb kann das Auftreten "erlebter Belastung" zugleich wertvolle Hinweise liefern, mit welchen Gesichtspunkten sich die Öffentlichkeitsarbeit für dieses Grundanliegen zusätzlich oder stärker auseinandersetzen muss.