29.09.2015
Rezension WP aktuell - Armin Trost: Unter den Erwartungen. Warum das jährliche Mitarbeitergespräch in modernen Arbeitswelten versagt.
Rezension WP aktuell:
Armin Trost: Unter den Erwartungen. Warum das jährliche Mitarbeitergespräch in modernen Arbeitswelten versagt.
Armin Surma, Diplom-Psychologe, Consulting Group Berlin, surma@consulting-group-berlin.de
Jährliche Mitarbeitergespräche, in deren Zentrum die Beurteilung der Mitarbeiter durch die jeweiligen Führungskräfte steht, sind mittlerweile in fast allen mittleren bis großen Unternehmen verbreitete Standardinstrumentarien des Personalmanagements. Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen, hat nun ein Buch vorgelegt, dass die Praxis dieser Gespräche einer fundamentalen Kritik unterzieht. Dabei gelingt ihm eine sehr profunde Analyse, indem er auch scheinbare Selbstverständlichkeiten konsequent auf den Prüfstand stellt.
Zunächst weist Trost darauf hin, dass jährliche Mitarbeitergespräche, als ein System, in der Regel gesteuert und initiiert durch die HR Abteilungen, extrem zahlreiche und sehr unterschiedliche Ziele gleichzeitig verfolgen. Es geht nicht nur um Feedback zu Leistung und Verhalten, sondern auch um Motivation, Steuerung, Zielvereinbarung, Belohnung, Mitarbeiterbindung, Potenzialbeurteilung und Talentidentifizierung sowie Lernen und Personalentwicklung. Diese gigantische Überladung, wobei die einzelnen Ziele nicht selten im Konflikt zueinander stehen, betrachtet Trost als blauäugig und sieht darin bereits einen fundamentalen Konstruktionsfehler. Gerade weil die Mitarbeitergespräche nicht so viele unterschiedliche Dinge gleichzeitig leisten können, es aber trotzdem sollen, hat sich bei vielen Führungskräften und Mitarbeitern starker Verdruss ausgebreitet. HR Verantwortliche die dann in klassischer Verfolgermentalität auf die Einhaltung gegebener Regularien pochen, machen die Sache nicht besser.
Des weiteren spiegeln die Gespräche ein sehr hierarchisches Verständnis von Führung, das Trost als nicht mehr zeitgemäß ansieht, insbesondere da wo Arbeitsaufgaben von hoher Komplexität geprägt sind.
Die Darstellung einer Vielzahl weiterer Probleme mündet schließlich in seiner Empfehlung, ernsthaft eine Abschaffung der jährlichen Mitarbeitergespräche zu erwägen. Die ursprünglich intendierten guten Absichten können auf andere Weise verfolgt werden. Ziele lassen sich auch gemeinsam in Teams vereinbaren und überprüfen. Beurteilung, Feedback und Anerkennung sind in kürzeren Zyklen und mit möglichst konkreten Hintergründen sinnvoll und das nicht nur durch die Führungskräfte, sondern auch durch Kollegen und Kunden. In agilen Arbeitswelten ist immer mehr Selbststeuerung gefragt und damit wandelt sich auch die Rolle der Führungskraft in Richtung Partner, Coach oder Vermittler. Diesen Prozess im Unternehmen unterstützend zu begleiten, wäre dabei eine wichtigere Aufgabe für die HR Abteilung, als überfrachtete Systeme zu zimmern.
Fazit: Ein überaus gelungenes, kluges und wichtiges Buch für alle Personalstrategen sowie Personal- und Organisationsentwickler, die am bisherigen System der Mitarbeitergespräche beteiligt sind und gut beraten wären, über mögliche Alternativen nachzudenken.
(Diese Rezension wurde in der Wirtschaftspsychologie aktuell Heft 3/2015 veröffentlicht.)
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