Wann ist agile Führung sinnvoll?
Agilität liegt im Trend und wird von vielen Beratern und Trainern mittlerweile als eine Art Allheilmittel empfohlen. Dabei rückt auch das Thema agile Führung zunehmend in den Fokus. Gab es früher typischerweise Führungstrainings unter den Überschriften „Kooperative Führung“, „Leadership entwickeln“ oder „Personenorientiert und situativ Führen“, so findet man heutzutage allerorten Angebote zum Thema „Agil Führen“ oder „Agile Führungsmethoden“. Diese Entwicklung soll hier nicht fundamental kritisiert werden: Agil zu führen ist immer dann sinnvoll, wenn schnelle Reaktionen auf veränderte Markt- und Kundenbedürfnisse gefragt sind und es keine weitreichende Planbarkeit gibt, weil zu viele Einflussfaktoren eine einfache und klar strukturierte Vorgehensweise verhindern. Das Gegenteil gilt aber auch: Dort, wo stark standardisierte Abläufe eine fehlerfreie und routinierte Bearbeitung sichern sollen, würde ein allzu agiles Führungsverhalten möglicherweise schaden.
Agil zu führen ist also nur eine Facette oder ein Teilbereich erfolgreichen Führungsverhalten, und keineswegs in jeder Situation empfehlenswert. Um dies noch etwas deutlicher zu machen sind hier nun exemplarisch vier sehr unterschiedliche Situationen oder Rahmenbedingungen für Führung kurz skizziert:
Akute Krisensituationen: Hier braucht es vor allem eindeutige und schnelle Entscheidungen. Ob Notfallmedizin oder Feuerwehreinsatz; hier ist beschleunigte und klare Ansage gefragt. Die Verantwortung liegt vollständig bei der Führungskraft, die Anweisungen erteilt. Es besteht zu wenig Zeit für Gruppendiskussionen oder Teamentscheidungen. Die Mitarbeiter sollten möglichst reibungslos vorgegebene Aufgaben abarbeiten. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass Führungskräfte zu autoritär agieren und bei erkennbaren Fehlentscheidungen, in erheblichem Umfang die Akzeptanz ihrer Mitarbeiter verlieren.
Standardabläufe: Hier besteht die Aufgabe der Führungskraft darin, sinnvolle und transparente Regeln aufzustellen und deren Einhaltung zu überprüfen bzw. sicherzustellen. Die Entscheidungsspielräume (und die Mitverantwortung) der Mitarbeiter sind auch in diesen Fällen nicht sehr groß. Führung im Sinne von managen und organisieren ist hier gefragt.
Hochkompetente (und „reife“) Mitarbeiter: Hier ist autoritäres oder engmaschiges Führungsverhalten grundverkehrt. Kompetente Mitarbeiter brauchen Herausforderungen oder Entscheidungsspielräume und wollen Mitverantwortung übernehmen. Delegieren und Führen über Zielvereinbarungen sind hier der passende Weg. Die Rolle der Führungskraft wechselt dabei vom Machthaber zum Berater oder Coach der Mitarbeiter.
Komplexe und kaum überschaubare Situationen: Je komplexer eine Situation beschaffen ist und je mehr unberechenbare oder wechselwirkende Einflussfaktoren eine Rolle spielen, umso mehr ist agile Führung gefragt. Wenn die Erfahrungen oder Fähigkeiten von Führungskräften nicht ausreichen, um die richtigen Entscheidungen zu finden, wenn Problemlösungen, unter Einbeziehung unterschiedlichster Fachleute, schrittweise entwickelt werden müssen, dann wird agile Führungskompetenz benötigt. In diesen Situationen geht es um die möglichst zielführende Steuerung gruppendynamischer Prozesse im Team. Ambiguitätstoleranz, Moderations- & Mediationskompetenzen, Empathie, Toleranz, Integrationsfähigkeit und nicht zuletzt Neugier und Experimentierfreude sind dabei besonders gefragt.
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